Bei Aktienkäufen hört bei den meisten Menschen die Rationalität auf, obwohl sie genau da beginnen sollte. Dann wird gekauft, wenn die Kurse hoch sind und verkauft, wenn sie niedrig sind.
Wir alles wissen eigentlich, wie die Logik der Börse funktioniert. Doch immer wieder melden mir Anleger, dass sie in die Fallen der Emotionalität tappen.
Die gute Nachricht: Unser Gehirn ist schuld und so strukturiert, dass wir ganz automatisch Fehler machen.
Die bessere Nachricht: Wenn wir uns unserer Irrationalität bewusst werden, können wir auch anders handeln.
Assoziations-Technologie
Ich möchte Dir ein typisches Beispiel geben. Unser Gehirn besitzt eine Art Assoziations-Technologie. Diese verknüpft verschiedene Erfahrungen und Ereignisse, wenn wir nicht aktiv dagegen steuern.
Wenn Du Fußball-Fan bist und Dir die Weltmeisterschaft mit Freude und jeder Menge positiven Emotionen anschaust, dann wirst Du automatisch auch damit verbundene Themen als positiv abspeichern. Plötzlich findest Du andere Menschen, die dabei waren, noch netter als vorher. Vielleicht siehst Du sogar am Spielfeldrand und auf den Trikots Deiner Mannschaft immer wieder das Logo eines Sportbekleidungsherstellers.
Solltest Du einige Wochen nach der WM die Entscheidung treffen sollen, ob dieser Sportausstatter ein gutes Unternehmen ist, wird Deine Antwort mit einer höheren Wahrscheinlichkeit positiv ausfallen, also ohne das Ereignis.
Diese Verzerrung (Bias) stellen wir in verschiedenen Lebensbereichen fest. Und wir können etwas Aktives dagegen tun.
Theoretisch wär es möglich, mit mehr Aufmerksamkeit durchs Leben zu gehen. Wir könnten versuchen alle Sinneswahrnehmungen bewusst in unser Gehirn eingliedern. Jedes Mal, wenn Du das Logo siehst, sagst Du Dir dann: »Das ist nur eine Werbung.«
Das Problem: Die Anzahl der Logoeinblendungen während eines Fußballspiels sind beachtlich groß. Zudem siehst Du vielleicht noch typische Streifen auf den Trikos. Alles Ausblenden oder bewusst machen hilft also nicht.
Darum müssen wir unser Gehirn zum richtigen Zeitpunkt im Griff haben und uns zum Zeitpunkt einer Entscheidung bewusst machen, dass wir wahrscheinlich die letzten Wochen und Monate regelmäßig manipuliert wurden.
Wir sind in der Lage unserem Gehirn einfach zu sagen: »Denke rational, Du wurdest manipuliert.«
Meine Lösung: Gehe mit einer gesunden Skepsis in jede Entscheidung. Frage Dich, was will der Gegenüber erreichen? Hinterfrage Aussagen und verlasse Dich weniger auf Dein Bauchgefühl, auch wenn das seither oft als sinnvolles Allheilmittel galt.
Eine gesunde Skepsis hilft dabei rationale Entscheidungen zu treffen.
Mag ich – mag ich nicht
Besonders wichtig wird diese Vorgehensweise, wenn man im Austausch mit einem Menschen steht, der selbst ein klares Ziel verfolgt. Mir fällt das auf bei Gesprächen mit dem Management im Rahmen einer Aktienbewertung.
Diese Gespräche sind wichtig, um Fragen zu stellen, die aus öffentlichen Berichten nicht klar werden. Nur durch Hinterfragen kann man Chancen und Risiken eines Unternehmens bis ins letzte Detail erkunden.
Doch der CEO einer Aktiengesellschaft ist meist nicht nur in dieser Rolle, weil er ein guter Manager ist, sondern auch weil er ein hervorragender Verkäufer ist.
Viele Analysten lassen sich von einer einfachen Entscheidung einlullen:
»Mag ich ihn oder mag ich ihn nicht?«
Wer sich diese Frage stellt, wird den Aussagen des Managers automatisch mehr glauben oder weniger. Wir neigen dazu Menschen blind zu folgen, die wir sympathisch finden. Doch das ist ein großer Fehler.
Viel mehr sollten wir uns wieder die rationale Frage stellen: Was hat der Manager in der Historie gesagt und was davon ist eingetroffen. Der Track-Reckord von Aussagen ist 100 mal wichtiger als die Aussage an sich.
Darum führen wir mit CEOs und CFOs von verschiedenen Unternehmen Gespräche, auch wenn die Aktie aus heutiger Sicht noch kein Kauf ist. Die Antworten werden genau dokumentiert und später mit den tatsächlichen Ergebnissen abgeglichen.
Fazit: Suche Dir Methoden, um rationale Entscheidungen zu treffen. Jeder Lebensbereich und jede Analyse bedarf unterschiedliche Mittel. Bevor Du Entscheidungen triffst, solltest Du einen klaren Prozess zur Rationalisierung bereit haben. Ein guter Anfang ist ein Gespräch mit einer unbeteiligten Person, die Dir sachliches Feedback zu Deiner Meinung geben kann.