Menschen, die sich überschätzen, wissen weniger

Menschen, die davon überzeugt sind, dass ihre Meinung immer richtig ist, können nervig sein. Sie verbieten jeden anderen Gedankenansatz. Eine Studie zeigt, wie eine starke Meinung und Wissen zusammenhängen.

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Ich bin mir sicher, Du kennst diese Kandidaten: In jedem Gespräch setzen sie ein starkes Argument und wissen sofort die Lösung für jedes Problem.

Sie zeigen Dir deutlich, dass Du eine minderwertige Meinung hast und lassen sich auch nach einer guten Argumentation nicht von ihrem Standpunkt abbringen.

Das gilt für Politik, Wirtschaft oder für soziale Kontakte.

Auch die besten Bücher der Welt haben zu diesem Problem keine Lösung.

Starke Meinungen ernten Vertrauen

Wer seine Meinung selbstbewusst vertritt, wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit seine Ziele durchsetzen, als andere.

Die anfangs erwähnte Studie zeigt klar, dass Menschen, die ihre Meinung unausweichlich vertreten, sicher sind, dass sie ein größeres Wissen zum Thema haben, als andere im Raum.

Andere Menschen vertrauen in dieses offensichtliche Wissen und stimmen Lösungsansätzen dieser Person gerne zu. Würde ein unwissender so dominant seine Meinung vertreten?

Im Experiment wurden über verschiedene Methoden Menschen zu einer Meinung befragt und schließlich wie sicher sie sich sind, dass sie ein großes Basiswissen dazu haben.

Die Korrelation des Ergebnisses ist eindeutig: Wer eine Antwort auf eine Frage gab und danach 100 % Sicherheit in der Korrektheit der Antwort angekreuzt hat, der war sich folglich auch sicher, besonders gut informiert zu sein.

Leider wussten sie nicht mehr

Als die Testteilnehmer allgemeine Wissens-Fragen zu diesem Thema beantworten sollten, wendete sich das Blatt.

Die Menschen, die besonders stark von ihrer Meinung und von ihrem Wissen überzeugt waren, schnitten im Wissenstest zu diesem Thema vergleichbar schlecht ab.

Die Menschen, die mit ihrer Meinung eher schüchtern waren, hatten im Durchschnitt ein höheres Wissen dazu.

Sich selbst Überschätzen - Studie
Überblick über das Ergebnis der Studie zur Überschätzung

Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

Mehr fand man darüber heraus, als man Menschen vorher einredete, dass sie Ahnung zu einem Thema haben, indem man ihnen einen inhaltlichen Rahmen vorgab. Sie wurden selbstbewusster in ihrer Antwortsicherheit und haben natürlich dennoch das gleiche Grundwissen wie vorher aufgezeigt.

Das gestiegene Selbstbewusstsein (kognitive Prägung) des Wissenden zahlt sich nicht durch mehr aus. Woher auch. Selbstbewusstsein alleine macht niemanden schlauer. Man denkt nur, dass man mehr weiß.

Wer denkt er weiß viel, liegt meistens falsch.

Die Gefahr des Überschätzens

Wir müssen also vorsichtig sein, wen wir vertrauen. Würdest Du lieber auf einen protzenden Angeber hören oder auf einen abwägenden Wissenden?

Hinterfrage das Wissen Deines Gegenübers, bevor Du eine Antwort als Gegeben hinnimmst, egal wie sicher der andere sich dabei fühlt.

Noch wichtiger ist jedoch eine gute Selbstreflexion. Es zeigt sich nämlich weiterhin, dass ein überhöhtes Selbstbewusstsein bezüglich des eigenen Wissens dazu führen kann, dass man es nicht mehr für nötig hält, weiteres zu lernen.

Wer sich überschätzt neigt dazu aufzuhören, sich weiterzuentwickeln.

Jeder kann diesen Aspekt in manchen Punkten auch an sich selbst erkennen. Man denkt, man sei ein hervorragender Marketingexperte, nachdem man einen Kanal bestens beherrscht.

Wenn sich die Welt jedoch ändert – und das macht sie schnell –, dann stoßen wir vielleicht auf Lücken, die wir nicht beachtet haben.

Beispiel: Jemand kann rein technisch prima Facebook-Anzeigen schalten. Er denkt, er sei ein Marketing-Guru, weil er eine Anzeige erfolgreich platziert hat. Plötzlich wird Facebook für ein neues Projekt völlig uninteressant und Instagram-Ads kommen auf. Oder eine neue kreative Kampagne soll auf der gleichen Plattform entstehen.

Der Mitarbeiter denkt, er sei ein Marketing-Guru und macht sich an die Arbeit. Das rein technische Wissen reicht nun nicht mehr aus, um kreative Kampagnen zu erstellen. Er scheitert.

Wer denkt, er ist allwissend, wird in der heutigen Zeit schnell abgehängt.

Wir müssen immer lernen

Wenn Du aufhörst zu lernen, wirst Du Mittelmaß. Du wirst nicht untergehen. Aber Du solltest auch nicht auf den Moment warten, wo ein Schock dazu führt, sodass Du von vorne starten musst.

Ein guter Bekannter von mir ist Fachmann in der Medienbranche. Er konnte seine Aufgabe technisch so gut leisten, dass er in einem großen Konzern immerhin Abteilungsleiter wurde.

Das Problem: Er hat sich nicht weiterentwickelt. Er hat keine persönlichen Fähigkeiten aufgebaut. Team-Management war ihm nicht so wichtig.

Als im Unternehmen eine künstliche Intelligenz eingesetzt wurde, um seine gesamte Abteilung zu ersetzen, fand er keine weitere Stelle im Konzern. Er hatte nicht die Fähigkeiten, auch andere Teams zu führen.

Sein Fachwissen half einfach nicht mehr weiter. Sein kognitiver Bias des großen Wissens hat dafür gesorgt, dass er seinen Job verlor. Er lebte dauerhaft in der Vergangenheit.

Auch bei mir selbst musste ich immer wieder feststellen, dass ich Annahmen getroffen habe, ohne sie zu validieren oder zu hinterfragen.

Vor einigen Jahren hatte ich das Glück durch einen eigenen Schock-Moment von meinem Unwissen in einigen Bereichen zu erfahren. Kein schöner Weg, aber hilfreich.

Du kannst es Dir jedoch sparen.

Wer sich unterschätzt neigt dazu, mehr zu lernen. Daher empfehle ich von ganzem Herzen, eine offene Einstellung zur Unwissenheit zu haben. Nur wer sieht, dass er nichts weiß, hat den Antrieb, noch mehr wissen zu wollen.

Dunning-Kruger-Effekt

Kruger und Dunning haben gezeigt, dass dieser Effekt ernst zu nehmen ist. Wer denkt, dass seine Meinung besser ist, als die von anderen, überschätzt sich.

Der wichtigste Aspekt der Studie steckte für mich in dem Ergebnis, dass Menschen, die offen gegenüber Feedback sind, einen größeren Antrieb haben, neue Dinge zu lernen.

Keiner mag Menschen, die nie Feedback annehmen, aber ständig verteilen.
Und sie mögen sich selbst nicht.

Sie verbauen nicht nur die Freude des sozialen Kontaktes bei anderen, sondern hemmen sich in ihrer eigenen Entwicklung.

Die natürliche Psychologie des Vertrauens in andere und in sich selbst wird mit diesem Wissen über den Haufen geworfen.

Die gute Nachricht: Wir sind nicht für immer gezwungen, diese Eigenschaften in uns zu tragen oder zu akzeptieren.

Beginne mit dem einfachen Satz: Wieso sollte ich mir so sicher sein?

Oder: Wie kannst Du Dir so sicher sein?

Hinterfrage und hinterfrage immer wieder. Wer mehr Fragen stellt, wird eher zum Wissen finden, als zur arroganten Meinungsdominanz.

Veröffentlicht von

Gero Gode

Gero Gode gründete über 10 Unternehmen in 10 Jahren und betreibt einen Family & Friends-Fonds mit ca. 100 Mio. Euro Volumen. Seine Lehren und Erfahrungen aus über 10 Jahren in intensiven Projekten und das Wissen aus seinem Netzwerk fasst er hier für Dich zusammen.

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