Wann ist es Zeit aufzugeben? Startups scheitern, oder nicht?

Angeblich scheitern Startups 90 % der Startups. Doch wann ist es wirklich Zeit aufzugeben? Wer rechtzeitig umdenkt, kann viele Jahre Freude an seinem Unternehmen haben.

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Dass ich weiß, dass Startups scheitern können, habe ich in meinen Geständnissen über meine Fehler bereits ausführlich erläutert.

Fast jeder, der mindestens einmal gegründet hat, weiß, was es bedeutet schwierige Zeiten zu erleben. Man befindet sich ständig zwischen Euphorie und Wahnsinn.

  • Warum wird mein Produkt nicht gekauft?
  • Schaffen wir es durch die Finanzierungsrunde?
  • Müssen wir Mitarbeiter entlassen?

Es gibt unzählige Fragen, die mehrere Seiten füllen könnten. Alle fressen sich in unsere Gedanken – als Gründe aufzugeben.

Ich selbst habe in einigen Fällen zu früh aufgegeben. In anderen zu spät. Doch was ist der richtige Zeitpunkt? Dem gehen wir nun auf die Spur. Dazu müssen wir verstehen, was die Gründe des Scheiterns sind.

Warum wir in die Situation des Scheiterns kommen

Von den großen Vorbildern der Startup-Welt bekommen wir immer wieder gesagt, dass High Leverage das Mittel zum Erfolg ist. Das bedeutet, wir müssen Geld aufnehmen, um schneller wachsen zu können und damit eine Bedeutung am Markt zu erhalten.

Dieser falsch interpretierte Gedankenansatz ist der häufigste Grund des Scheiterns. Fast alle Gründer, mit den ich rede, bringen irgendwann den Aspekt einer Finanzierung ins Spiel – meistens viel zu früh.

Spielen wir mal mit folgendem Gedanken: Wer keine Kosten hat, kann nicht Pleite gehen.

Die Aussage ist sicher richtig. Ein paar kleine Kosten hat jeder, aber wie groß MÜSSEN sie in Deinem Bereich sein? Damit ein Unternehmen profitabel ist, sollten Kosten auch Umsätze gegenüberstehen.

Eine Finanzierung kann dafür sorgen, dass wir für einen gewissen Zeitraum höhere Kosten haben können. Wir dürfen eine Zeit lang Geld verbrennen – für zukünftiges Wachstum.

Wer einem Investor eine gute Idee mit einem tollen Team vorstellt, hat eine gute Chance, etwas Spielgeld zu erhalten, um eine Idee am Markt auszuprobieren.

Klappt es, wird man mehr Geld bekommen und kann wachsen.

Der Unterschied liegt also in der Startfinanzierung (Seed Money) und der Wachstumsfinanzierung (Growth Money). Nahezu jeder Investor wird der zweiten Option freudig entgegenspringen.

Du hast bewiesen, dass Dein Produkt funktioniert und es kann mit externem Geld schneller skaliert werden.

Warum fangen die meisten Gründer trotzdem mit der ersten Option an? Weil sie denken es muss so sein. Easy!

Wenn Du und Dein Team ein Produkt erstellen können, ohne externe Finanzierungen zu verwenden oder die Entwicklung direkt von einem Kunden bezahlen lassen können, sollte dies meiner Meinung nach so lange wie möglich passieren.

Mit ersten Kunden und Umsätzen sind meistens auch klare Prozesse entstanden, die zeigen, wie man Kunden gewonnen hat. Diese Prozesse lassen sich skalieren – indem mehr Ressourcen darauf gesetzt werden.

Mit Umsätzen steigt auch die Bewertung eines Unternehmens. Für zukünftige Finanzierungsrunden müssen weniger Anteile abgegeben werden, bzw. Du erhältst mehr Geld für die gleichen Anteile.

Wer zu früh Gelder annimmt und verbraucht, steigert die Gefahr zu scheitern.

Wir sollten uns vor einer Finanzierung auf die Suche nach einem guten Produkt, dass sich von alleine Verkauft, machen, einen passenden Pitch ausarbeiten und an den Markt gehen.

Wer sauber von der Idee zum Produkt geht, senkt die Wahrscheinlichkeit des Untergangs.

Eine möglichst lange Zeit vor einer potenziellen Finanzierung gibt uns die Chance, das Produkt gemeinsam mit potenziellen Kunden zu bearbeiten. Immer mehr Startups, die ich Coache, nutzen diesen Weg. Sie lernen von mir einen einfachen Satz:

»Wir würden Ihnen als erster Kunde unseres Produktes gerne ein Leben lang 50 % Rabatt geben. Als Gegenleistung würden wir uns wünschen, dass Sie uns Ideen geben, wie Sie praktischer damit arbeiten können, sodass wir das Produkt so gestalten können, wie Sie es wirklich nutzen können.«

Das ist kraftvoll. Das Unternehmen bekommt ein maßgeschneidertes Produkt. Doch Du erklärst es als Gegenleistung. Viele meiner betreuten Unternehmen haben auf diesen Weg komplett auf eine Finanzierung verzichten können. Sie haben einfach Umsatz generiert.

Das Scheitern möglichst zu umgehen ist eine Idee. Wir können jedoch trotzdem Fehler machen, die nicht vorhersehbar sind. Dann bleibt uns manchmal nichts anderes übrig, als aufzugeben.

Wann Du noch nicht aufgeben solltest

Stell Dir vor, Du steckst schon seit fünf Jahren in Deinem Startup fest. Ihr macht kleine Umsätze und könnt kleine Gehälter für das Team zahlen. Soweit so gut. Doch die Ziele waren größer. Man wollte doch etwas wie die absolute finanzielle Freiheit erreichen.

An dieser Stelle überlegen viele Gründer aufzugeben. Reich wird man bestimmt nicht mehr. Viel mehr würde ich jedoch überlegen, was der Grund ist, warum man nicht weiter wachsen kann.

Für die meisten Gründe gibt es einen Weg, den man noch nicht ausprobiert hat. Manchmal fehlt auch ein bestimmtes Knowhow im Team.

In der Situation ist fast immer jemand im Team in der Lage, sich dieses Knowhow anzueignen oder Du kaufst es ein. Ich habe schon Aussagen gehört, bei denen es mir den Magen umdreht:

»Wir können nicht weiter wachsen, weil unsere Überschüsse zu niedrig sind, um damit Marketing-Experten zu zahlen. Keiner im Team kann Marketing.«

Wie bitte? Wenn Dein Startup auf Marketing beruht, solltest Du entweder eine Person im Team haben, die Marketing kann, oder jemand solle es lernen.

Marketing ist eine Fähigkeit. Fähigkeiten kann man lernen. Kostenlos. Die nötigen Informationen sind wenige Suchanfragen auf Google entfernt.

Wenn Du mit einer zusätzlichen Fähigkeit Deinen Traum verwirklichen kannst, dann eigne sie Dir an!

Jeder Mensch sollte täglich wachsen. Auch Gründer. So denken Profis!

Wann ist es Zeit für einen Schlussstrich?

Es gibt jedoch auch Situationen, die unüberwindbar sind. Wenn Du wirklich auf Stein beißt oder eine drastische Situation erlebst, ist es meistens sinnvoll, die Segel zu streichen.

  • Das Unternehmen ist Insolvent.
  • Zu viele Gesellschafter machen Entscheidungen unmöglich.
  • Dein Gründerteam ist immer völlig unterschiedlicher Meinung.
  • Ihr schafft es nicht einmal ein Produkt zu erstellen.
  • Ihr habt auch nach 10 Jahren keinen einzigen Kunden oder Fan.

Wenn Deine Situation so schlecht ist, dass es einfach nicht mehr weiter geht, dann ziehe rechtzeitig die Reißleine.

Ich selbst habe schon in einem Unternehmen aufgehört, obwohl ich gesagt habe, dass ich niemals aufgeben würde. Doch ich machte den Fehler, zu viele Gesellschafter an Board zu holen, sodass einfach nichts mehr vorwärtsging.

Mache Dir keine Sorgen, wenn es so weit ist. Es ist wirklich normal, dass Unternehmen auch mal scheitern. Ich finde es nur traurig, wenn Du einen Grund als Ausrede vorschieben würdest. Als Ausrede für Faulheit, Ignoranz und Angst.

Wenn Größenwahn der Grund des Scheiterns ist, bemitleide ich Dich und die Geldgeber übrigens nicht. Es ist völlig OK, dass man versucht große Ziele zu meistern. Es ist dann aber auch OK zu scheitern.

So lange Du gute Aussichten auf Erfolg hast, ist Dein Kampf nicht verloren. Wenn Dir Dein Produkt wirklich am Herzen liegt, wirst Du einen Weg finden.

Veröffentlicht von

Gero Gode

Gero Gode gründete über 10 Unternehmen in 10 Jahren und betreibt einen Family & Friends-Fonds mit ca. 100 Mio. Euro Volumen. Seine Lehren und Erfahrungen aus über 10 Jahren in intensiven Projekten und das Wissen aus seinem Netzwerk fasst er hier für Dich zusammen.

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